«Die Volksinitiative gegen Massentierhaltung will Tierfabriken verbieten, um die Lebensqualität der Tiere zu verbessern. Liberale Stimmen kritisieren, dass die Initiative die Konsumentinnen und Konsumenten bevormunde. Doch die gleichen Stimmen stört es nicht, dass sich die Schweiz durch internationale Handelsverträge bevormunden lässt. Denn diese Verträge verbieten es der Schweiz – so argumentieren diese Stimmen – für den Import von ausländischem Fleisch Tierhaltungsvorschriften zu machen.»
«Liberale Stimmen kritisieren zudem, das Fleisch werde auf Kosten der wirtschaftlich Schwachen teurer. Sie stören sich aber nicht daran, dass der unterbleibende Tierschutz einer ökonomisch unsinnigen Subvention gleichkommt. Es gibt bessere Umverteilungsmassnahmen.»
«Die meisten von uns missbilligen Tierleid unabhängig davon, ob das entsprechende Tier auf dem eigenen Teller landet. Damit erfüllt Tierwohl das «nicht-Ausschliessbarkeitsprinzip», das für öffentliche Güter charakteristisch ist. Werden Tiere an einem Ort unnötig gequält, beklagen dies nicht nur diejenigen, welche die Schweinerei direkt mitansehen oder das produzierte Fleisch selbst konsumieren, sondern wir als Gesellschaft.»
«Bei einem allgemein verbesserten Tierschutz profitieren vom Gesichtspunkt des Einzelnen von den eigenen Zusatzkosten nicht nur eine Handvoll glücklichere Tiere, sondern deren 50 Millionen. Da beginnt es sich zu lohnen. Im Slang der Volkswirtschaftslehre: Regulierung löst das Dilemma der sonst individuell unwiderstehlichen Trittbrettfahrerei.»
«So hilft die Massentierhaltungsinitiative zu respektieren, dass die artgerechte Tierhaltung ein öffentliches Gut ist. Davon wollen die Initiativgegner nichts wissen, indem sie eine weitere Regulierung ablehnen und die Kunden selbst entscheiden lassen wollen.»
«Angesichts des im Wettbewerb um billige Produktion entstandenen Race-to-the-bottom bei der Lebensqualität in Tierfabriken ist das von der Initiative geforderte Verbot nachvollziehbar. So behauptet kaum jemand, dass sich physiologische und psychische Bedürfnisse beispielsweise von Schweinen von denen gängiger Haustiere wie Hunde und Katzen fundamental unterscheiden. Trotzdem ist der Unterschied bei der Haltung enorm. Nutztiere können nach der heute bestehenden Regulierung ihr ganzes Leben dicht zusammengedrängt mit anderen Tieren fristen und dürfen so überzüchtet werden, bis sie nicht mehr auf ihren eigenen Beinen stehen können. Demgegenüber sind beispielsweise für Wohnungskatzen «erhöhte Ruheflächen und Rückzugsmöglichkeiten, Kletter- und Kratzgelegenheiten sowie ein Klo pro Katze» vorgeschrieben.»
«Die Möglichkeit einer negativen Reaktion der WTO gilt als einer der Gründe für die relativ schwachen Tierschutzrichtlinien, beispielsweise auch in der EU. Die rechtliche Unklarheit ist damit mitverantwortlich für ein globales Race-to-the-bottom bei der Nutztierhaltung in einem Markt, in dem nur die am billigsten produzierenden Anbieter überleben. Wenn jährlich zig Milliarden Nutztiere damit auf rücksichtslose Art gemästet werden, so dass die Nutztierhaltung von Ethikern oft als eines der allergrössten gesellschaftlichen Probleme angesehen wird, ist es vielleicht an der Zeit, dass ein Land die Möglichkeiten im Rahmen der internationalen Handelsverträge genauer auslotet.»
«Der wirklich springende Punkt ist aber: Einzelne Produkte wie Fleisch zu subventionieren, indem man das gesellschaftliche Anliegen des Tierwohls zu wenig reguliert, bedeutet eine illiberale Bevormundung der Konsumenten.»
Anmerkung: In einem Punkt muss ich dem Autor widersprechen. Eine «artgerechte» Nutztierhaltung kann es nicht geben, weil die Ausbeutung, Versklavung, Vergewaltigung und Ermordung der Opfer gar nicht «artgerecht» möglich sind.